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Gedanken über den Tod

Sitze mit meiner Altersheimkumpeline auf der Bank vor dem Haus. Die Sonne scheint genau richtig, ein warmer, zärtlicher Wind streichelt unsere faltigen Gesichter, die Lilien duften und wir reden über das Thema, das uns doch brennend interessiert – der Tod..

Wir sind uns einig, dass wir nicht wie eine welke Porreestange im Bett liegen möchten – auch nicht unwelk – um zwischendurch mit dem Bett vors Haus geschoben werden, damit man nicht vergisst was Luft ist. Wir wollen nicht da liegen und unsere aller liebsten Menschen nicht erkennen und wir fangen an, die Methoden durchzuarbeiten: Schlaftabletten (die kotzt man eh wieder hoch), sich in den Schnee legen und erfrieren (ich bin ja so eine Frostbeule..), vor die Bahn hüpfen, aber in unserem Alter wird nicht mehr so richtig gehüpft und was mache ich mit meinem Rollator..

Wir können uns nicht entscheiden, lehnen uns zurück und geniessen die Sonne und gehen dann zum Mittagessen. Das Projekt muss noch etwas warten…

Nächliche Abenteuer

Letztens wollte ich ins Bett gehen und schlafen und stellte fest, dass meine Wände wie verrückt rotierten und, dass alles sich im Zimmer mit einer beachtenswerten Schnelligkeit drehte. Ich habe das schon mal gehabt (na, was habe ich n i c h t gehabt?) und das nennt sich TIA und ist ein Vorbote für ein Schlaganfall. Also klingelte ich auf meinem SOS-Telefon und ein bezauberndes kleines Wesen erschien und fragte besorgt, was los sei und da ich wohl nicht in so einer Supververfassung war, rief sie nach dem Krankenwagen. Hier ist man nicht so zurückhaltenden damit, ich denke, ich müsste wenigstens den Kopf unter dem Arm tragen oder ein bisschen sterbend sein, aber man verliert mit der Häufigkeit mit der man die Nummer wählt die Scheu.

Ich hatte nur ein T-shirt und Unterhose an und fand meine Kleidung nicht adäquat für flotte junge Sanitäter und bat mich anziehen zu dürfen aber das wurde mit einem klaren NJET beantwortet, ich müsste ganz still und ruhig liegen bleiben. Kann ich verstehen, macht ja keinen Spass die Reste von mir zusammenzufegen. Aber ich durfte wenigstens den Bademantel anziehen. Die flotten Jungs kamen, rollten mich in den Krankenwagen und ab ins Krankenhaus. Dort lag ich dann und ich glaube ich habe einige Runden immer wieder geschlafen und war über meinen Bademanten sehr dankbar. Nach allen Proben stellte sich heraus, dass es kein TIA, war sondern dass die Wände nur beschlossen hatten, zu tanzen.

Ich wurde entlassen und ging aus dem Krankenhaus hinaus und stand etwas verloren dort. In Bademanten und Schlüffkes.. Ich war sehr dankbar dafür dass ich nicht in Unterhose und T-shirt da stehen musste. So ein 79-jähriger Körper ist ja nicht so unbedingt sehenswert..Okey, es war ja 3 Uhr nachts und kein grösserer Publikumsansturm, aber so ganz super fand ich das nicht. Ich rief ein Taxi, denn die Vorstellung mit dem Bus im Bademantel und Schlüffkes zu fahren, fand ich doch nicht so toll, obwohl hier in Berlin wahrscheinlich kein Mensch schaut, sonder eher denken „Schon wieder eine durchgeknallte Renterin“ würde. Der Taxifahrer schaute doch etwas unsicher und dacht wahrscheinlich, dass ich mich im seinem Auto übergeben würde – was ich freundlicherweise NICHT tat.

Und nun habe ich auch gelernt, dass ich nach dem Umzug von meinem Favoritenkrankenhaus, das Bundeswehrkrankenhaus, so weit weg wohne, so dass die Krankenwagenfahrer mich leider nicht mehr dort hinfahren. Das Krankenhaus ist nicht nur medizinisch hervorragend, es gibt dort ein Augenschmaus für die Augen (klar für die Augen, es heisst ja auch Augenschmaus..). Die jungen Ärzte tragen ihre Uniforme statt Kittel und sehen ganz reizend aus. Als ich letztens dort im Koma lag und gerade aus dem Koma geholt wurde, kam der Chefarzt mit einem Haufen Studenten im Schlepptau. Ich wachte kurz auf, sah den Mann und sagte „Mein Gott, sind Sie ein schöner Mann“. Die Studenten haben gekichert und er hat souverän „Vielen Dankt“ gesagt und sich wahrscheinlich überlegt, dass die alte das nächste Mal nicht so viel Narkose bekommen soll…

Das Rauschen des Schilfs

Um unseren kleinen See haben wir schönes mans/frauenhohes (ho-ho hier wird ordentlich gegendert, jawohl!!) Schilf. Das Schilf tanzt graziös wie eine junge Tänzerin (hier lasse ich das Gendern weg.. sorry) , dazu rauscht die kleine Fontäne (worüber wohl mehrere sich so beklagen, dass die Fontänke tagsüber manchmal abgestellt wird und ich dachte, wir Ollen hören so schlecht aber nix da!). Das hier ist mein Glück, ich lege mich auf meinen schönen Balkon, lausche die Geräusche (mit Hörgeräten) und träume mich ganz weit weg nach meinem Lieblingsinsel, Fårö. Ist das ein Glück, so wie hier leben zu dürfen, in dieser Großstadt.. Ich bin dankbar..

Unter dem Regenbogen

Was sagt man über den Regenbogen? Soll nicht da wo der Bogen runterkommt ein Schatz versteckt liegen (den hätte ich gerne, dann müsste ich mir keine Gedanken darüber machen, ob ich das hier wirtschaftlich hinkriege oder nicht) aber vielleicht ist unser Altersheim einfach der Schatz. Naja, dass wir Alten Schätze sein sollten, das kommt wohl nicht mehr so gut an, wir kosten nur viel Geld und sind völlig unnütz – aber nee, in echt, wir haben ja ein Leben lang dafür eingezahlt – also bitte um etwas Geduld bei der Supermarktkasse, wenn wir Alten dort stehen und ewig mit dem Kleingeld rumfummeln.. Wartet nur ab..

Sein oder nicht sein..

Heute traf ich endlich die Nachbarin, die ich ansonsten rückwärts sitzend mit Karacho in den Speisesaal schiebe. Das heisst, s i e sitz rückwärts, nicht ich.. Wir düsen an der Rollatorkaravane vorbei und heute gab es ja auch das Salatsbuffet och da ist der Run größer als sonst aber die anderen weichen respektvoll zur Seite wenn wir vorbeidüsen, um auch hier den pole position einzunehmen. Wir sind die Sieger!! Ich habe sie gefragt, ob es ihr gut ginge und ja, das tat es. Gott sei Dank! Es ist nicht so selbstverständlich, dass man sich hier immer wiedersieht. Der Krankenwagen hält öfters vor der Tür und ich nehme an dass das schwarze Auto, das die Särge holt, rücksichtsvoll in die Garage fährt. Wir wollen es ja nicht so genau wissen obwohl wir alles wissen, dass wir auch mal dran sind aus der Garage verfrachtet zu werden.

Ich hätte ja nie gedacht, dass man sich an das Wohnen hier gewöhnen könnte. Ich komme aus einem jungen, lebhaften, Kiez und nur mit „alten Leuten“ umzugehen? Mann och Mann, ich werde ja selbst demnächst 80.. also wer bin ich zu lästern.. Ich habe hier viele Menschen kennen gelernt, die klug, erfahren, witzig sind und mit denen man sich wunderbar unterhalten kann. Klar, es gibt auch die „Griesgramen“ die nie grüssen, lächeln oder was sagen, wenn ich an ihnen vorbeidüse (soweit ich das kann, aber im Vergleich bin ich schon schneller..). Was es alles für Schicksale gibt! Und dazu kommt das Personal, das ausgesprochen höflich und zuvorkommend ist, so dass sogar kleine ich aus dem Kiez Gesundbrunnen mich wie im Luxusland fühle..

I

Worst case

Heute morgen ist mir das nun endlich passiert, wovor ich ich seit meinem Umzug am 27.3.2023 Angst hatte – ich habe eine GANZE Tasse Kaffe ausgekippt. Erst lief der Kaffe auf dem Tisch, dann wollte er unbedingt unterhalb der grossen Glasplatte, die ich darauf gelegt habe, weil der Tisch antik ist und weil wenigstens der Tisch mich überleben sollte. Dann floss der Kaffe wie die Niagarafalls – na wohin schon? Auf den fast WEISSEN Teppichboden! Über das Verlegen von weissen Teppichböden in Altersheimen, in denen wir mit zitternden Händen Flüssigkeiten transportieren, können wir ja mal auch diskutieren. Bis jetzt bin ich mit fester Hand durch das Zimmer geschritten, Höllenangst dass der Rotwein überschwappt. . Auch ein Grund um damit aufzuhören.. ist eh ungesund.. Das habe ich nun davon.. Vom Hausmeister Tip dass ich mit Pril rubbeln soll, von anderen dass ich mit Blubberwasser das tun soll. Jetzt ist alles noch nass und zittere davor, wie es aussieht, wenn es trocken ist.

Meine lieben Töchter, meine Erben, diejenigen die nach mir hier aufforsten müssen – ES TUT MIR SEHR LEID!! Aber wieviel Karottensaft und Karottenbrei habe ich nicht früher versucht, aus dem Teppichboden zu rubbeln (ja damals hatte man Teppichboden.. dachte dass sowas ausgestorben ist, aber nee..)