Hier im Altersheim – oh sorry, Seniorenresidenz… – gibt es sehr viele Menschen die sich beklagen weil es so umständlich ist Häuser und viel Geld zu erben – und was man sonst so erben kann. Ich sitze dort und höre zu, nehme die Hand der anderen und seufze „Ach Du Ärmste, was für ein Elend..“ aber verdammt noch mal, jetzt ist es genug gezeufst… Es fällt mir schwer Mitleid mit meiner Nachbarin zu haben, nur weil sie ein Haus geerbt hat, mit einer anderen Bekannten die nicht ein Haus sonderen einen Haufen Häuser geerbt hat und in echt – ich hätte auch gerne etwas geerbt – auch um es an Kinder und Enkelkinder weiter vererben zu können – aber nu isses nicht so gekommen und beklage mich nicht – normalerweise – (aber sie tun es wahrscheinlich..) – aber irgendwie kriege ich es nicht mehr hin, in dem „Elend“ salbungsvoll zu trösten.. Ja ich weiss, ich BIN doch etwas neidisch aber jetzt habe ich wenigstens ein Los in der Fernsehlotterie gekauft und wenn dort auch kein Goldregen kommt, na, dann isses so wie es iss..
Habe gerade versucht den Balkon etwas in Ordnung zu bringen – Frühling und Sommer verlangen solche Heldentaten und mit der schönen Terasse die ich habe, wäre es eine Schande wenn nicht. Aber ach wie müde deralte Körper ist! Ich schleppe den Staubsauger nach draussen, bücke mich und suche passendes Mundstück und muss mich bücken um alles einzufangen. Dann etwas wischi-waschi mit dem Lappen und habe das ganze Projekt schon satt. Aber warum ist der Körper so müde bloss? Die Füsse fühlen sich wie Betonklötze an und sich zu bücken ist schon ein kleines Abenteuer und wenn der Kopf dann wieder oben ist, dreht sich alles. Ich mache Gymnastik, laufe viel aber hilft das? Überhaupt nicht! Was ist am schwersten, Körper oder Seele – bei mir beides aber was hilft mir das? Nischt!
Ich sitze und arbeite, Frieden herrscht. Plötzlich klingelt es hart und laut an der Tür. Draussen steht eine alte Dame und versucht in meine Wohnung zu kommen und fragt:“Ist hier der Fahrstuhl?“. Ich muss leider verneinen denn nein, ich habe keinen Fahrstuhl,. schnappe mir meine Schlüssel und sage ihr dass ich ihr den Fahrstuhl zeige. In Schnekcentempo gehen wir die Gänge runter, sie wird immer langsamer und jammert leise, dass die Füsse ihr weh tun. Ich frage in welcher Etage sie wohnt und drücke ihr den Knopf mit der 2 und schäme mich für mich selbst etwas, dass ich nicht mitfahre und sicherstelle, dass sie dort ankommt wo sie hinmöchte und stelle wieder mal fest, dass ich abdanken möchte, ehe ich auch so verwirrt bin. Aber vielleicht ist sie in ihrer eigenen Welt glücklich, wer weiss..
Ich werde oft von lieben Freundinnen gefragt, wie schrecklich es ist, im Altersheim zu leben. Ich kann ruhig antworten: Es ist absolut ok! Jetzt habe ich nicht sehr hohe Ansprüche und bin in meinem Leben so oft umgezogen so dass ein mal mehr oder weniger nicht so schlimm ist. Und klar – hier wohnen echt nur alte Menschen (deswegen heisst es ja auch Altersheim auch wenn ich immer den bösen Blick bekomme wenn ich das sage, es soll Seniorenresidenz heissen) aber man gewöhnt sich und ich versuche zu realisieren, dass ich ja auch nicht mehr so richtig doll jung bin. Es gibt Leute hier die nie grüssen und Dich immer böse anschauen aber auch sehr viel nette und interessante Frauen (Männer sind Mangelware und diejenigen die hier leben, sind nicht so sehr kommunikativ) und ich habe jetzt viele Freundinnen, mit denen ich mich wohl fühle, quatsche, Billard spiele etc.. Da das Haus den Ruf hat „fein“ zu sein gibt es auch welche die so fein sind, dass sie nicht mit jedem sprechen aber so what? Ich fühle mich wohl und bereue es nicht, hierher umgezogen zu sein. Und schon die Tatsache, dass es Hantwerker gibt, die fröhlich kommen, wenn wieder mal ein Loch in der Wand gebohrt werden muss, sowas was ich nicht mehr hinkriege – und auch nicht mehr möchte. Und der Luxus, dass wenn ich nicht so topfit bin, der Onkel Doktor vorbeischaut und dass für mich eingekauft wird wenn ich nicht mehr in die Senkrechte komme. In meiner alten Wohnung hätte ich lange in meinem Bett liegen können bis… So Mädels, ist es nicht gefährlich oder schrecklich ins Altersheim zu ziehen – nur Mut – in Echt!
Es klingelt laut und grell und vor der Tür steht eine kleine alte Dame und fragt ob hier der Fahrstuhl sei. Die Freude konnte ich ihr nicht machen also Schlüssel geschnappt und im Schneckentempo zum Fahrstuhl. Habe etwas schlechtes Gewissen, dass ich nicht mit ihr mitgefahren bin, um zu sehen, ob sie auch bei sich zu Hause ankommt. Vielleicht fährt sie noch Fahrstuhl.. Lieber Gott, ich möchte nie so hilflos werden..
Mechtild, du bist wunderbar!!