Es ist nach einem langen und sehr selbständigen Leben sehr, sehr schwer zu akzeptieren, dass man die Würde so langsam verliert. Und doch weiss jedes Kind dass es so kommen muss, wenn man alt wird, aber wenn man doch betroffen ist, ist es verdammt schwer – was?? bin ich etwa schon so alt?? Letztens bin ich aus meinem Bett gekullert, es ist ja ein Boxspring Bett (Frau geht mit der Zeit) und entsprechend hoch. Dachte mir, dass das praktischer sei als die kaum bodenbedeckenden Betten, die wir als junge Menschen hatten. Nun, Frau fällt runter, nix passiert, bin ja gut gepolstert (leider) und da lag ich wie der Käfer auf dem Rücken und verrsuchte nun in mein Bett wieder zu gelangen. Da ich auf der einen Seite eine Knieprothese habe ist es extrem unangenehm darauf abzuschützten – oder meine Fantasie sagt no go dazu – und so hatte ich einen langen Kampf ehe ich wieder da oben lag und am Ende doch lachen musste, weil alles so irreal ist. Vom Boden aufstehen? Kann doch jeder – ja leider nicht jede.l
Weitere verlorene Würde ist, dass ich immer oft und schnell auf die Toilette gehen muss, PANIK! Das ist die Oberentwürdigung, dass man das nicht schaffen würde und ich vermute, dass ich damit nicht so ganz alleine bin aber da das so oberschamhaft ist, spricht man nicht darüber, sondern schweigt und leidet. Der Tropfen unter der Nase gehört auch in diese Kategorie hinein. Warum um Himmels Willen hängt da gerne einen Tropfen immer und sieht allgemein ekelig aus und kein Mensch sagt – aus Rücksichtnahme? – was, sondern der Tropfen baumelt da so gemütlich vor sich hin.
Ja das sind nur einige Sätze zu der verlorenen Würde der alten Menschen und irgendwie finde ich langsam alles nicht mehr so lustig und denke oft daran, wie es weitergehen mag.. Ich bin unendllich dankbar dafür, dass wir jetzt per Gesetz über unser Ende selbst entscheiden können und dürfen.
Ich hatte „Ausgang“ vom Altersheim. Hatte fast vergessen wie das so ist da draussen in real life aber es war einfach herrlich. Ich habe aller liebste Menschen in der Provence besucht und das war einfach wunderschön. Die Provence an sich ist ja ansonsten ein Erlebnis aber dann zusammen sein mit den aller Liebsten, noch herrlicher. Morgens Frühstück und abends ein Glas Rosé auf der Terrasse unter der rieisig grossen Platane, die Überlebensschatten spendet. Okey mein Balkon ist auch schön aber kann leider da nicht mithalten.
Wir sind nach Cassis an die Küste gefahren und der Blick über das Meer heilt manche Wunde. Ist das Meer die Grenze oder die Verbindung.. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich nicht reingegangen bin, bin eine Memme und unter 28 Grad läuft bei mir nix. Wir hatten ein Zimmer direkt am Meer und ich freute mich schon bei dem Gedanken, zu Wellenschlagen einschlafen zu dürfen, hatte aber vergessen, dass ohne Hörgerät sowas nicht zu hören ist, also kein Wellenschlagen..
Ach ja..Ich hatte die Franzosen als nicht durchschnittlich allzu freundliche Menschen in Erinnerung aber das ist ja wohl eher Paris. Hier waren sie sehr, sehr freundlich und immer Bonjour Madam etc, hört sich schon so freundlich an. Warum gibt es in der deutschen Sprache nichts ähnliches? Okey es gibt gnädige Frau, das sagt aber kein Mensch- und beim Mann ist dann auch schon Halt. Ich schmelze dahin wenn man zu mir Bonjour Madam sagt und werde lammfromm – was ich vielleicht sonst nicht bin aber wenn ich das Meer sehe, höre und rieche, bin ich sowieso lammfromm. Vielleicht sollte ich an der Küste leben.. aber das bleibt wohl Fantasie, jetzt bin ich dahoam im Altersheim…
Heute ist Muttertag und das Cafe wird sich mit – mehr oder wenig liebenden – Angehörigen füllen – proppefüllen denn wenn die alte Mutti sonst nicht so häufig besucht wird, HEUTE muss es sein! Ich hätte es eigentlich auch gerne aber die eine ist krank, die andere in Frankreich und ich habe selber Schuld. Mein Mann und ich, alte 68-er, erzogen die Kinder mit „Muttertag? Das ist nur kommerzieller Quatsch“. Ich weiss ein Jahr ging die kleine Tochter in den äusserst gepflegten Nachbarsgarten und pflückte einen grossen Blumenstrauss. Pah, das gab Ärger – von den Nachbarn -. Also, wie heisst es, wie man bettet so liegt man – oder war das jetzt nur aus dem Schwedischen übersetzt? Aber als Trost habe ich von meiner mir „zugeflogenen“ Extra-Tochter wunderbare Blumen bekommen. Alles ist in Ordnung!
Es klingelt mitten in der Papstwahl an der Tür, es klingelt Sturm und ich denke, dass Haus brennt oder sonstwas. Vor der Tür steht meine Nachbarin, so klein und so zart mit sooo einer grossen Wohnung (und mit einem himmlischen Balkon.. (ich=Neid) und sie stammelt „es ist alles so laut“ und ich höre wie Musik durch die Gänge dröööhnt. Ein Glück dass die meisten – und ich auch – schon etwas schwerhörig sind.. Es stellt sich heraus, dass ihr Radio so irre laut war und sie nicht wusste wie man es leiser stellt. Schritt 1: Fernbedienung suchen und – ich schwöre – bei so einem alten Menschen hat sich in der Wohnung einiges angesammelt aber die Fernbedienung finden wir auf ihrem Rollator, also endlich leiser. „Ich habe die Knöpfe nicht gefunden“ sagt der kleine Mensch traurig. Alles in Ordnung, ich technikunbegabte Frau kriege es hin und Stille herrscht im Altersheim wieder – wie es sich so gehört.. Der kleine Mensch ist glücklich und ich freue mich, dass ich ihr helfen konnte und fühle mich schon wieder in meinem Beschluss bestätigt, nicht so uralt werden zu wollen. Ich weiss, das stösst auf Unverständnis, aber heisst es nicht „man soll gehen wenn es am schönsten ist“ ?
Wir haben viele Fahrstühle – und auch viele Bewohner – aber wenn gleichzeitig 3 RollatorfahrerInnen in den Fahrstuhl möchten, dann wird es knapp. Und versuch nicht das Chaos zu ordnen wie „wenn Sie sich so hinstellen und Sie so dann klappt es“ oder „wer zuletzt aussteigen möchte, steigt bitte zuerst ein“. Nein, es ist ein Kampf um Leben und Tod – ich will hier rein unf keiner darf vor MIR in den Fahrstuhl!! – und garantiert muss die/derjenige, die/der sich zuerst reingequetscht hat zuerst aussteigen, also alle Rollatoren wieder raus und das Spiel fängt vom Neuen an. Ach ja, wir haben es halt sehr eilig hier im Altersheim und das Gehirn arbeitet wohl langsamer wenn man älter wird..
Hier im Altersheim – oh sorry, Seniorenresidenz… – gibt es sehr viele Menschen die sich beklagen weil es so umständlich ist Häuser und viel Geld zu erben – und was man sonst so erben kann. Ich sitze dort und höre zu, nehme die Hand der anderen und seufze „Ach Du Ärmste, was für ein Elend..“ aber verdammt noch mal, jetzt ist es genug gezeufst… Es fällt mir schwer Mitleid mit meiner Nachbarin zu haben, nur weil sie ein Haus geerbt hat, mit einer anderen Bekannten die nicht ein Haus sonderen einen Haufen Häuser geerbt hat und in echt – ich hätte auch gerne etwas geerbt – auch um es an Kinder und Enkelkinder weiter vererben zu können – aber nu isses nicht so gekommen und beklage mich nicht – normalerweise – (aber sie tun es wahrscheinlich..) – aber irgendwie kriege ich es nicht mehr hin, in dem „Elend“ salbungsvoll zu trösten.. Ja ich weiss, ich BIN doch etwas neidisch aber jetzt habe ich wenigstens ein Los in der Fernsehlotterie gekauft und wenn dort auch kein Goldregen kommt, na, dann isses so wie es iss..
Liebe Mechtild jetzt suche ich nicht mehr den Knopf am Radio, jetzt geht der Kampf gegeb Internet los aber noch…