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Einsamkeit im Altersheim

Sass in der Bibliothek – weil das der einzige Raum ist, der ein AirCondition hat – und wartete darauf, dass Zeit fürs Mittagessen ist. Neben mir sass eine Frau und ich kann es ja nicht einfach sein lassen, also angequatsch und gefragt, wie lange sie schon hier ist. Ist ein bisschen so wie im Knast, man fragt immer gleich wie lange man schon da ist und anderes als beim Knast weiss man ja nicht wann man mit den Füssen zuerst rauskommt. Jedenfalls, sie war neu, nur einige Wochen und ich fragte die zwangsläufige nächste Frage, wie es ihr so gefiel. Da kam aber Traurigkeit hervor – nein, sie fühle sich so einsam und fühle sich gar nicht wohl. Würde keine Leute kennen. Nach dem Essen ging ich wieder dort vorbei, um zu fragen, ob sie Lust auf eine Tasse Kaffee bei mir hätte und da war sie schon weg. Also das nächste Mal! Ja, es gibt viel Einsamkeit hier aber viele tun sich aber auch so schwer, Kontakte zu knüpfen und man lädt sich sowieso nicht in die eigene Wohnung ein – never ever – sondern man sitzt auf den Sesseln, die strategisch platziert sind, falls man unterwegs zusammenbrechen würde. Versteht man das? Ich nicht..

Vieles versteht man nicht – als ich hier neu war habe ich die Bewohner meines Korridors zum Kennenlernen auf ein Gläschen eingeladen. Von den 8 Parteien kam ein reizendes Paar und erzählte, dass man sowas hier nicht täte, hätte noch niemand getan und sollte auch niemand tun. Basta! Man hätte das unter einander besprochen und fand es höchst befremdlich. Na gut, ich hatte einen netten Abend mit dem Ehepaar, so what..

Auf dem Heimweg vom Mittagessen traf ich meinen kleinen „Onkel“ der mich immer so freundlich und verschmitzt anlächelt. Er ging langsam und gebeugt mit seinem Rollator und als ich ihn überholte und „Hallo rasender Roland“ sagte, strahlte er, richtete sich gerade auf und sagte ,dass ihm meine Kleider so gut gefallen würden. Ach der Süsse! Tut ja gut..

Jetzt spinnen die Supermärkte..

Normalerweise fange ich im September an, darüber zu mosern, dass die Supermärkte die Lebkuchen schon verkaufen aber in diesem Jahr – wow – jetzt Anfang Juli sind sie schon voll und während mir draussen der Schweiss den Rücken herunterläuft, läuft wahrscheinlich die Schokolade in den Packungen und wir Alten kämpfen ums Überleben in der Hitzehölle mit 36 grad..

Na dann – Frohe Weihnachten!!

Pole-Position im Altersheim

Normalerweise habe ich pole position beim Rollator-Rennen zum Mittagessen – mein roter Ferrari ist flott. Aber jetzt habe ich was anderes entdeckt: Die eine Mitbewohnerin kann sehr schwer laufen, sitzt auf ihrem Rollator und schiebt sich sehr langsam und mühselig mit dem Fuss rück (aber -vor)wärts. Ich darf sie packen, Füsse hoch beordern und schon haben wir alle anderen überholt und pole position eingenommen. Die Mitbewohnerin kichert und uns macht es Spass wenn wir die Schallmauer sprengen… auch vor dem Fahrstuhl sind wir unschlagbar..

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Auf ins Altersheim

Ja, ich weiss, Frau darf nicht Altersheim sagen, für viele, viele Euros mehr heisst es Seniorenresidenz. Aber in echt: es ist ein Altersheim egal wie man es nennt und das hier ist für uns alle, die letzte Station. Ein seltsamer Gedanke – Ende, finito..

Also da ich mehrere gesundheitliche Schwächen hatte und habe, überlegte ich was ich machen könnte, damit die Mädchen (holla die Waldfee 50+ und 50-.. ist Frau dann noch Mädchen?) sich nicht darum kümmern müssen und fand dieses Heim. Mir gefiel es beim Anschauen gut und nahm Tochter – die ganz klar viel charmanter ist, als ich es bin, und fuhr zur Besprechung. Die wirklich ganz reizende Mitarbeiterin war etwas besorgt, da ich ja schon 76 Jahre alt damals war.. Besorgtes Gesicht der reizenden Mitarbeiterin. Also lernt: Gleich nach Schulabschluss sich im Altersheim melden, wenn ihr zu alt und klapperig werdet, möchte Euch kein Heim haben. Frische, gesunde junge Menschen sind gefragt! Jawoll!! Die machen auch weniger Arbeit. Als ich dann mit meinem schrecklichen Geheimnis rausrücken musste, sah die wirklich reizende Dame doch etwas unglücklich aus.. Ich habe einen PFLEGEGRAD.. Für die die es nicht wissen, Pflegegrad bekommt man wenn man gesundheitliche Unterstützung braucht und man wird in Gruppen 1 bis glaube ich 6 eingeteilt. Ich habe Pflegegrad 3 und ich sah in ihren Augen, wie ich mich langsam in eine alte welke Porreestange verwandelte. „Oh, das geht aber nicht.. “ sagte ihre Körpersprache. Ich wusste es, hatte von mehreren anderen Heimen ein klares Njet bekommen nur aufgrund des Pflegegrades.

Meine kreative Tochter führte mich vor, betonte dass ich doch recht fit wäre „Na schauen Sie doch mal…“ und ich fühlte mich wie eine Kuh auf einer Auktion, eine Kuh die im Ring herumlaufen muss, damit sie alle begutachten können. Humpelt die oder nicht… Kaufen oder nicht kaufen? Ich wurde innerlich bockiger und die Telepathie zwischen Mutter-Tochter funktionierte, so bevor ich überhaupt Luft holen und etwas sagen konnte, trat sie mich auf den Fuss und zischte wie eine Giftschlange „sei still“ denn sie sah schon die Katastrophe kommen. Die Kuh fiel in sich zusammen und ich überliess der Tochter die Verhandlung und hab doch gesagt, dass sie kreativ und charmant ist: Ergebnis: ich durfte mich in die Warteschlange einreihen. War ich vielleicht doch nur eine halb-welke Porreestange?

Nach ungefähr 1,5 Jahren bekam ich den Bescheid und ab ging der Umzug. Am Umzugsabend stapelten sich lebensgefährlich hoch die 50 Kartons und um sich überhaupt bewegen zu können, gab es vielleicht 1 qm. Und ach, wie wenig Platz für meinen Kram.. Ich suche immer noch wie verrückt nach Sachen, kriege Anfälle wenn ich versuche die Sachen besser zu stapeln, um 10 quadratmillimeter zu ergattern..

Die ersten Wochen waren essentechnisch etwas anstrengend. Ich esse seit 30 Jahren kein Fleisch – nee bin keine edle Tierfreundin sondern MAG ES EINFACH NICHT. Und vegetarisch ist ja nun draussen in real life kein allzu grosses Drama, oder? Es gibt da ganz andere Nummer, laktosefrei, fruktosefrei und weiss ich was.. Aber hier! Ich sagte dass ich nicht mal daran denke, die Fleischstücke rauszupulen, ich will einfach kein Fleisch auf meinem Teller. Der Küchenchef sagte streng: „Ja was glauben Sie wo wir hinkommen, wenn alle Sonderwünsche haben“ und damit brach der Krieg zwischen uns aus. Inzwischen klappt es aber der Küchenchef macht einen großen Bogen um unseren Tisch um den Stillstand nicht zu gefährden- iss mir auch recht und für ihn als Mann war es ja ein Prestigeverlust. Geht doch!

So das war mein erster Bericht aus dem Altersheim!