Heutiges Gefühl
Heute fühle ich mich als würde ich in einer Sardinendose liegen – nur leider nicht wie hier auf dem Bild mit einem lieben Menschen – aber bei der Hitze wäre das eh zu heiss und zu eng..

Heute fühle ich mich als würde ich in einer Sardinendose liegen – nur leider nicht wie hier auf dem Bild mit einem lieben Menschen – aber bei der Hitze wäre das eh zu heiss und zu eng..
Seit ich hier im Heim wohne ist meine „Karriere“ als Köchin jäh beendet. Wir bekommen nämlich Mittagessen hier sozusagen inklusive. Man hat das sicher so gedacht, damit wir Alten aus unseren weichen Sesseln kommen und wenigstens einmal am Tag sich unterhalten. Wenn man nicht kommt muss man sich abmelden und wenn das auch nicht passiert ist, dann marschiert die „Notfallgruppe“ mit der Blauen Katastrophenlampe auf dem Kopf in Deine Wohnung um zu schauen, ob Du da irgendwo rumliegst. Eigentlich ein guter Gedanke finde ich.
Und seitdem ich hier wohne ist nix mit kochen. Ausserdem ist meine Küche minimalistisch und wenn ich einen Löffel dort ablegen möchte, muss ich erstmals alles neu ordnen. Als die Kinder noch zu Hause wohnten kamen sie aus der Schule und snifften schon an der Tür und es war Daumen hoch für Pasta, Daumen sowas von runter für Ilja Stroganoff. Man schlürfte so willig oder nicht willig sein Essen und keiner sagte was. Jetzt sagen beide Töchter dass ich damals supertoll gekocht habe und ich kann es nicht glauben – hätten sie doch ihrer alten Mutter damals eine grosse Freude gemacht.. Aber das ist wohl auch unter Pubertät zu sortieren..
Nun, da ich hier das Essen bekomme, esse ich es auch, manchmal etwas zähneknirschend. Das Restaurant bekommt sicher keinen Michelinstern, man frottiert sich in dicken Mehl-Saucen, alles ist paniert, das Gemüse so weich, dass ich es schlürfen könnte und dabei habe ich noch alle meine Zähne. Echt! Ich habe natürlich promt zugenommen und es bewegt sich nichts nach unten. Nachdem ich einen langen Kampf hatte weil ich aus meinem Teller nicht das Fleisch wegpulen wollte – jetzt endlich ist es angekommen dass die Meckertante KEIN Fleisch ist (und schauen sie mich nicht etwas seltsam an, oder??) – und nun rüste ich für ein Essen ohne Panade und dicke Mehlsossen und für Gemüse mit Biss.. Aber vielleicht bin ich wirklich eine Meckertante, die anderen schlürfen ja brav ihr Essen..
Sass in der Bibliothek – weil das der einzige Raum ist, der ein AirCondition hat – und wartete darauf, dass Zeit fürs Mittagessen ist. Neben mir sass eine Frau und ich kann es ja nicht einfach sein lassen, also angequatsch und gefragt, wie lange sie schon hier ist. Ist ein bisschen so wie im Knast, man fragt immer gleich wie lange man schon da ist und anderes als beim Knast weiss man ja nicht wann man mit den Füssen zuerst rauskommt. Jedenfalls, sie war neu, nur einige Wochen und ich fragte die zwangsläufige nächste Frage, wie es ihr so gefiel. Da kam aber Traurigkeit hervor – nein, sie fühle sich so einsam und fühle sich gar nicht wohl. Würde keine Leute kennen. Nach dem Essen ging ich wieder dort vorbei, um zu fragen, ob sie Lust auf eine Tasse Kaffee bei mir hätte und da war sie schon weg. Also das nächste Mal! Ja, es gibt viel Einsamkeit hier aber viele tun sich aber auch so schwer, Kontakte zu knüpfen und man lädt sich sowieso nicht in die eigene Wohnung ein – never ever – sondern man sitzt auf den Sesseln, die strategisch platziert sind, falls man unterwegs zusammenbrechen würde. Versteht man das? Ich nicht..
Vieles versteht man nicht – als ich hier neu war habe ich die Bewohner meines Korridors zum Kennenlernen auf ein Gläschen eingeladen. Von den 8 Parteien kam ein reizendes Paar und erzählte, dass man sowas hier nicht täte, hätte noch niemand getan und sollte auch niemand tun. Basta! Man hätte das unter einander besprochen und fand es höchst befremdlich. Na gut, ich hatte einen netten Abend mit dem Ehepaar, so what..
Auf dem Heimweg vom Mittagessen traf ich meinen kleinen „Onkel“ der mich immer so freundlich und verschmitzt anlächelt. Er ging langsam und gebeugt mit seinem Rollator und als ich ihn überholte und „Hallo rasender Roland“ sagte, strahlte er, richtete sich gerade auf und sagte ,dass ihm meine Kleider so gut gefallen würden. Ach der Süsse! Tut ja gut..
Normalerweise fange ich im September an, darüber zu mosern, dass die Supermärkte die Lebkuchen schon verkaufen aber in diesem Jahr – wow – jetzt Anfang Juli sind sie schon voll und während mir draussen der Schweiss den Rücken herunterläuft, läuft wahrscheinlich die Schokolade in den Packungen und wir Alten kämpfen ums Überleben in der Hitzehölle mit 36 grad..
Na dann – Frohe Weihnachten!!
Normalerweise habe ich pole position beim Rollator-Rennen zum Mittagessen – mein roter Ferrari ist flott. Aber jetzt habe ich was anderes entdeckt: Die eine Mitbewohnerin kann sehr schwer laufen, sitzt auf ihrem Rollator und schiebt sich sehr langsam und mühselig mit dem Fuss rück (aber -vor)wärts. Ich darf sie packen, Füsse hoch beordern und schon haben wir alle anderen überholt und pole position eingenommen. Die Mitbewohnerin kichert und uns macht es Spass wenn wir die Schallmauer sprengen… auch vor dem Fahrstuhl sind wir unschlagbar..
Liebe Angela, heute bin ich mit der Welt wieder im Reinen - es ist heiss und ich geniesse es so…