Ich begleite – ganz freiwillig – hier im Altersheim eine Bewohnerin auf ihrem letzten Weg; das war eine der ersten, die ich hier kennen lernte. Sie hat eine nicht gut ausgehende Diagnose bekommen (es sei denn man glaubt an Wunder..) und ist nur ein Schatten, von dem was sie mal war. Sie ist sehr fordernd, sehr ungeduldig (sogar mehr als ich und das will was heissen), will dies nicht und jenes doch und äussert das sehr, sehr deutlich. Also eine höchst schwierige Person aber im Herzen gut. Sie hat leider eine Diagnose, die sich nicht gut anhört, ist auf die Hälfte abgemagert aber aufgeben? NIEMALS! Sie beschwert sich bei mir wehement darüber dass sie kein Frühstück bekommen hätte – ist ja nicht schön und ich runter zu den organisierenden Ladies. Was? Kein Frühstück? Was?? Sie hat doch vor Tagen den Frühstücksservice abbestellt.. stöhn, seufz, wieder hoch und der Dame dies verklickern. Lahme Antwort: „Ach so“ (nachdem sie voher Haus und Hof und die ganze Welt deswegen verklagen wollte) und schon war der Frühstückskrieg erledigt. Sie sieht Gespenster, dort wo ich keine sehe, und ich bin doch etwas betroffen. Endet das Leben wirklich so? Einsam im Chaos (es darf nichts weggeworfen werden und bei einer Wohnung mit 32 qm kann das ziemlich schrecklich werden)? Gespenster überall? Ich bin für meinen Plan und die neue Gesetzgebung sehr dankbar und hoffe dass alles dann klappt. (Bild Sophie Herken)
In meinem Leben gab es einen Menschen, der mich gerne mit Schuld und Fehler überschüttete. Habe auf alten Tagen a) mich gefragt, warum ich das immer recht brav angenommen habe und b) angefangen Kreuzsticharbeiten zu machen – ja, ja, die Grossmutter sitzt im Schaukelstuhl und stickt, aber es ist sehr beruhigend – und dieses kleine „Werk“ hängt jetzt über meinem Bett und erinnert mich an einiges und macht mich so dankbar dafür, dass ich jetzt nicht immer „Mea culpa“ sagen muss sondern wer der Meinung ist, dass ich ein Idiot bin, soll einfach wegbleiben!
Der Text heisst übersetzt: Zu verschenken: Schuld, Scham und schlechtes Gewissen.
Am Wochenende war ich zur Taufe des Sohnes meiner Bonustochter eingeladen – in einer anderen Stadt und merkte wie selten ich heute ausserhalb von Berlin bin – es gibt also ein Leben ausserhalb des Altersheimes und Berlin!! WOW!! Und es ist fast unglaublich, einmal nicht zu einer Trauerfeier oder ähnlichem eingeladen zu werden, sondern zu einer TAUFE! Kein Gequatsche von Jammer und Elend, Krankheiten, wer wann und wo gestorben ist sondern NUR EINFACH LEBEN: Sowas kommt leider allzu selten vor und ich konnte tief einatmen und feststellen: ES GIBT AUCH EIN LEBEN AUSSERHALB DES ALTERSHEIMES!! WOW!! Wir Alten waren in der Minderzahl, es waren hauptsächlich junge Familien mit Kindern dort und das „Festobjekt“ war gänzlich uninteressiert. Er lernt gerade laufen und das aller Schönste für ihn war wenn jemand ihn an den Händen festhält und in 90 Grad Winkel gebückt hinter ihm her läuft. Gute Übung für das Fahrradfahrenlernen später, kann mich allzu gut daran erinnern wie wir Eltern abwechselnd hinter dem winzigen Fahrrad liefen, 90 Grad Winkel, bis es auch ohne uns klappte und wir liefen dann weiter in 90 Grads Winkel. Ach es ist so wunderbar erfrischend mit den jungen Familien zusammen zu sein, sie haben noch alles vor sich, haben so viele Pläne – wenn die Welt weiterhin besteht – keine Krankheitsgeschichten, kein Gejammer und Gestöhne und sage dem getaufenten Kind: VIEL GLÜCK DU WIRST WAS WUNDERBARES WERDEN und ich begleite Dich so lange wie ich kann – aber gerne aufrecht laufend, das alte Kreuz macht nicht mehr so richtig mit….
Es ist Sonnabend, draussen ist es heeeeeiss – erst haben wir jetzt eine Weile darüber gemeckert, dass es „kein Sommer“ ist und nun isses uns wieder mal zu viel. Ich bin schlapp und versuche minimalistische Unternehmungen in Richtung Aufräumen zu machen aber das ist nur ein Verschieben von rechts nach links und umgekehrt, der Platz wird nicht mehr. Da kann ich noch so viel hin- und herschieben.. Da haben es ja die Ladies die riesige Glasvitrinen mitgenommen haben besser ab andererseits, da drin steht nur das Meissengeschirr und die feinen Kristallgläser und wo tun sie all das hin was ich hin- und herschiebe? Ordner, Nähsachen, Werkzeug, Farbpött… Wahrscheinlich brauchen sie sowas nicht, dafür haben wir die Hausmeister. Ich habe gerade meinen alten Akkuschrauber entsorgt, ich schraube jetzt mit der Hand, geht auch, zwar nicht so flott, aber wer braucht es mit 81 flott..
Irgendwie spüre ich Unruhe und Frust wenn ich den ganzen Tag nichts mache. Ist das kommende Leben so? Still sitzen und über die eigenen Sünden nachdenken. Ja, ich weiss jemand, der jetzt wahrscheinlich gerne laut rufen würde „Na, da kannst Du ja lange nachdenken“ aber nee, die Altlasten habe ich entladen. Bild: Sophie Herken
War ein bisschen übermütig, denn ich fand, ich war schon ziemlich fit – wie ein ausgeleierter Turnschuh – und nix mit Humpeln und Stöhnen hier nicht.. Nee! Damit ist jetzt Schluss und ich gehöre zu der Gruppe Alten hier im Altersheim, die langsam mit bleischweren Beinen unterwegs sind und immer wieder leicht stöhnen. Mein Blutkrebs ist wieder erwacht – wie ein kleiner Vulkan – Schwupps – und ich war der Meinung dass wir beschlossen hatten, getrennte Wege zu gehen aber er mag mich – immerhin jemand mag mich.. – und war beim Onkel Doktor (Ha, Onkel, er könnte mein Sohn sein..) und er schaute mich verständnisvoll an und meinte, dass es ja kein Wunder ist,dass ich so unglaublich müde und schlapp bin, wie er sagte „mit DEM Blut“.. Ach ja.. Nächste Woche habe ich Termin zum Bohren, d.h. man muss sich in den Hüftknochen bohren lassen, dort sitzt scheinbar die kleine – aber ach so wichtige – Blutwerkstatt. Ok habe es schon erlebt, ist nicht super aber man überlebt es und dann gibt es wohl wieder neue Pillen und ich kann wieder an den langsamen Alten vorbeirasen – juchu!
Wer so motiviert nach dem Gedächtnistraining sucht, dem hilft das Training auch. Auch wenn es nur um den gemeinsamen Austausch…